Die Naiven Stickbilder der Maria Habeth
Maria Habeth ist eine zweiundneunzigjährige, bescheidene
und doch energiegeladene Einzelgängerin aus dem Bonner Raum,
die seit vielen Jahren, zurückgezogen in ihrer Wohnung, sehr
eigenwillige und originelle Kunstwerke erstellt. Dabei
bedient sie sich einer außergewöhnlichen und seltenen
Technik: Sie stickt.
Was zeigen die Stickbilder der Maria Habeth?
Die Künstlerin behandelt überwiegend das eigene Landleben der
Vergangenheit. Es gibt Frühlings-, Sommer-, Herbst- und
Winterbilder, in denen die Personen den Jahreszeiten
entsprechenden Aufgaben nachgehen.
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Wie muß man sich ihre Arbeitsweise vorstellen?
Maria Habeth stickt ohne Vorlage und Vorzeichnungen.
Zu einem Stickbild nimmt sie Sticktwist, Nähnadeln und doppelten
Küchenhandtuchstoff mit Karos als eventuelle Hilfslinien.
Die Künstlerin benutzt über 100 Farbnuancen auf einer
durchschnittlichen Fläche von circa 30 x 40 cm. Ihre Art
zu sticken gehört zur Technik der Nadelmalerei. Es braucht
mehrere Monate, um ein Bild fertigzustellen.
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Wer ist die Person hinter diesen Bildern?
Maria Habeth lebt seit ihrer frühen Kindheit in einem zu damaliger Zeit
armen, konservativen 400-Seelen-Dorf am Rand der noch ärmeren Eifel.
Nachdem sie vierzehnjährig die Schule verlassen muß, prägt
ausschließlich harte Arbeit ihren Alltag. Sie verrichtet an
die Saison gebundene Gelegenheitsarbeiten bei den Bauern.
Maria Habeth bleibt entgegen ihren
Wünschen an das Dorf gebunden.
Ihr Lebenslauf ist repräsentativ
für viele Landfrauen dieser Zeit. Die schwierigen
Zeitumstände veranlassen die junge Frau zu ihren ersten
Stickbildern. Zu jener Zeit spielt Kunst ansonsten
außerhalb der Kirche keine Rolle und wird ebenso
wie Musik als überflüssiger Spleen empfunden.
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Wie sah Maria Habeths künstlerischer Werdegang bis jetzt aus?
In den dreißiger Jahren beginnt Maria Habeth mit der Stickerei,
weil sie ihr die einzige Möglichkeit einer kreativen, geistigen
Beschäftigung bietet. Nach einer langen Schaffenspause setzt
sie die Stickerei erst in den siebziger Jahren fort.
Maria Habeth entwickelte als Autodidaktin unbewußt
eine individuelle künstlerische Richtung, ohne überhaupt
in einem auch nur ansatzweise künstlerischen Umfeld zu leben.
Die Künstlerin nimmt in den siebziger und achtziger Jahren
erfolgreich an zahlreichen Ausstellungen und Wettbewerben teil.
Unter anderem veranstaltet 1983 das Museum of Contemporary Art
in Chicago eine Ausstellung, bei der auch Maria Habeth vertreten ist.
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Wie ist die Qualität ihrer Werke einzuschätzen?
Hoch.
Namhafte Künstler wie Max Raffler und Grandma Moses weisen
erstaunliche biographische und in ihren Werken thematische
sowie stilistische Ähnlichkeiten auf.
Die Naiven Stickereien der Maria Habeth haben zum einen
ihre Stärken in der technisch hoch qualitativen
Ausarbeitung; einer Technik, die sowohl ungewöhnlich ist,
als auch in ihrer künstlerischen Umsetzung überzeugt und
fasziniert.
Ebenso begeistert der unbedarfte Umgang mit Farben, Formen
und Inhalten, der intuitiv entsteht und ebenso Individualität
und Originalität beweist.
Die Themen sind auch kulturgeschichtlich wertvoll
und ein Zeitzeugnis des Landlebens der ersten Hälfte des vergangenen
Jahrhunderts, wenn auch, in typischer Eigenart der authentischen
Naiven, fast einseitig positive Eindrücke in Erscheinung treten.
Judith Bongartz
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